Tippen oder Schreiben?

Vom Schreiben war in diesem Blog (hier und hier) schon öfter die Rede. In der Neuen Zürcher vom letzten Samstag steht nun ein Artikel des Gymnasiallehrers Eduard Kaeser, der darauf aufmerksam macht, wie sich Denken und Intelligenz verändern, wenn man nicht mehr mit Füller und Bleistift schreibt, sondern statt dessen auf der Computertastatur tippt oder über das iPad wischt.

In den digitalen Technologien verbirgt sich eine höchst defizitäre Anthropologie, die die Intelligenz des lebenden Körpers in seiner Offline-Umwelt kaum gebührend berücksichtigt, ja oft geradezu wie ein rezessives Merkmal betrachtet. Genau hier aber liegt die Chance, das wiederzuentdecken, was wir immer schon haben und immer schon können. Intelligenz ist haptisch, sie braucht Finger. Die Dichte der Nervenenden in unseren Fingerspitzen ist enorm gross. Ihr Unterscheidungsvermögen gleicht nahezu jenem unserer Augen. Wenn wir unsere Finger nicht gebrauchen, werden wir «fingerblind», verlieren wir unser Fingerspitzengefühl; das wäre eine Form von Selbstverstümmelung – ergo Dummheit. Man kann es auch so sagen: Die Zukunft liegt in unseren Händen. Buchstäblich.

Über Wolfgang Vögele

evangelischer Theologe, Karlsruhe
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6 Antworten zu Tippen oder Schreiben?

  1. alexanderhorch schreibt:

    Schòner Artikel. Nachdenkenswert, und trotzdem, ist nicht das sanfte Wischen und Bewegen auf der kühlen Alufläche eines MacBook Air von geradezu erotischer Ästehtik? Das UND ist wichtig, ich wehre mich gegen das ENTWEDER ODER. Füller UND Trackpad.
    Und, warum eigentlich lernt man in der Schule nicht das 10-Finger schreiben. Welch ein Hochgefühl, blind nicht nur Schuhe binden, sondern auch Gedanken vom Hirn in einen Text bringen zu können.

  2. Wolfram schreibt:

    Um meine Gedanken auf Papier zu bringen, brauche ich eine Tastatur. So seltsam das klingt, weil ich nicht damit aufgewachsen bin. Handschriftlich kann ich das nur ganz schlecht, und es wird ein furchtbares Gekritzel mit vielen Ausstreichungen und Einfügungen.
    Ich erinner mich an eine Pfarrvertretung vor einigen Jahren; vor Ort war ein Computer vorhanden (ich hatte damals noch keinen tragbaren), aber kein Drucker. Meine Predigten schrieb ich am Samstagnachmittag auf dem Computer, um sie dann per Hand auf Papier zu übertragen. Schon damals vermied ich weitestgehend den Kugelschreiber, der die Hand wie die Schrift unter Druck setzt, aber mit Tinte zu schreiben ist vermutlich immer noch die bessere Art, einen Text zu memorisieren.
    (Dafür haben meine gedruckten Predigten in 16pt den Vorteil, daß ich sie immer noch ohne Brille von weitem lesen kann und mich schnell auf der Seite zurechtfinde, obwohl ich nicht ablese. Das und die Zeit sind die Gründe, warum ich meine Predigten heute nicht mehr von Hand abschreibe.)

    • Wolfgang Vögele schreibt:

      Ich glaube, jeder findet seine eigene Methode. Ich mache lieber Gliederungs- und Schmierzettel von der Hand, in „unordentlicher“ Schrift und verarbeite das dann per Tastatur zu einer Predigt.

  3. Carlos A. Ferrer schreibt:

    Unsre Intelligenz ist nicht nur haitisch, sie ist viel, viel mehr, siehe Armstrong, http://bit.ly/9oHCnM – warum nicht seine Gedanken zeichnen oder in Gedankenlandkarten / Mind Map umsetzen, mit Musikstücken oder Photos, Tanz oder liturgischen Spielen gestalten? Nicht immer …

  4. Pingback: Summer reading list 2021 | Glauben und Verstehen

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