Körperlicher Geist – geistlicher Körper

Jesus bläst die Jünger an. So sagt es der Evangelist Johannes im Predigttext für den Pfingstmontag (Joh 20,19-23):

Am Abend aber dieses ersten Tages der Woche, da die Jünger versammelt und die Türen verschlossen waren aus Furcht vor den Juden, kam Jesus und trat mitten unter sie und spricht zu ihnen: Friede sei mit euch! Und als er das gesagt hatte, zeigte er ihnen die Hände und seine Seite. Da wurden die Jünger froh, dass sie den Herrn sahen. Da sprach Jesus abermals zu ihnen: Friede sei mit euch! Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch. Und als er das gesagt hatte, blies er sie an und spricht zu ihnen: Nehmt hin den Heiligen Geist! Welchen ihr die Sünden erlasst, denen sind sie erlassen; welchen ihr sie behaltet, denen sind sie behalten.

Menschen brauchen Sündenvergebung wie sie das Atmen brauchen, den Kreislauf von Ein- und Ausatmen. Dieser Atem verbindet sich seit Pfingsten mit dem Heiligen Geist. Zuspruch und Leben in der Vergebung der Sünden – das ist der Atem des Heiligen Geistes, aus dem Gemeinden und Glaubende leben. Dieser geistliche Atem öffnet Türen. Er macht Freude. Er erleichtert, denn er befreit von schweren Lasten und Schuldgefühlen. Er macht das Leben leichter, beschwingter, freundlicher. Er legt eine Spur des Glaubens zu Gott.

Der gesamte Text der Predigt findet sich hier.

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Sounds and Silence

Leider ist die Erforschung der europäischen Glockenkultur noch nicht besonders gut vernetzt. Abhilfe schaffen soll eine im letzten Jahr neu gegründete Zeitschrift, die in den Niederlanden erscheint. Sie heißt „Beiaard- en Klokkencultuur in de Lage Landen/ Carillon and Bell Culture in the Low Countries“ und erscheint als Jahrbuch. Ich bin sehr dankbar, daß ich in der zweiten Nummer (20023) mit einem Beitrag über Glocken und Reformation vertreten bin: „Sounds and Silence. Ringing of the Bells in the Period of Reformation„. Der Essay faßt Ergebnisse zusammen, die ich im Rahmen der Forschungsgruppe „Sacred Sounds“ an der Universität Tübingen weiter ausarbeiten will, zu einem längeren Beitrag über Glockenkultur in der Moderne. Deswegen heißt es am Schluß meines Essays:

„At the end of this essay, I will present some incomplete thoughts on the bell culture of modernity. In doing so, I am aware that European countries have each developed their own bell cultures, be they Protestant, Catholic, Anglican or otherwise denominationally determined. What is needed is a European differentiation of bell cultures – as well as an understanding and exchange of the various national bell sciences or campanologies. I am well aware that the examples I have presented here come from a German context. I hope to be able to present and justify the ideas presented in a more detailed essay in the future.“

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Himmelfahrt im Mittelalter

Die Kunsthalle Karlsruhe ist seit über einem Jahr geschlossen, aber seit kurzem ist eine Auswahl der Werke im ZKM Karlsruhe zu sehen. Ein Besuch lohnt, und das noch mehr als auch die regelmäßigen Führungen wieder begonnen haben, die ein Werk aus kunsthistorischer wie theologischer Perspektive beleuchten. Die neue Führungsreihe des Roncalli-Forums trägt den Titel „Glücklich“. Am Mittwoch, den 17.Mai, 16.00 Uhr beschäftigen wir uns mit dem Himmelfahrtsbild des so genannten Regler Altars, gemalt zwischen 1450-1455.

Herzliche Einladung!

Ort: ZKM

Zeit: 17.Mai, 16.00 Uhr

Kosten: 4 Euro plus den Eintritt

Expertise: Holger Jacob-Friesen, Wolfgang Vögele

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Der einzige Zeuge

Der Predigttext für Ostern ist die Auferstehungspassage schlechthin. Paulus berichtet in 1Kor 15,1-11 von seinen Auferstehungserfahrungen:

Ich erinnere euch aber, Brüder und Schwestern, an das Evangelium, das ich euch verkündigt habe, das ihr auch angenommen habt, in dem ihr auch fest steht, durch das ihr auch selig werdet, wenn ihr’s so festhaltet, wie ich es euch verkündigt habe; es sei denn, dass ihr’s umsonst geglaubt hättet. Denn als Erstes habe ich euch weitergegeben, was ich auch empfangen habe: Dass Christus gestorben ist für unsre Sünden nach der Schrift; und dass er begraben worden ist; und dass er auferweckt worden ist am dritten Tage nach der Schrift; und dass er gesehen worden ist von Kephas, danach von den Zwölfen. Danach ist er gesehen worden von mehr als fünfhundert Brüdern auf einmal, von denen die meisten noch heute leben, einige aber sind entschlafen. Danach ist er gesehen worden von Jakobus, danach von allen Aposteln. Zuletzt von allen ist er auch von mir als einer unzeitigen Geburt gesehen worden. Denn ich bin der geringste unter den Aposteln, der ich nicht wert bin, dass ich ein Apostel heiße, weil ich die Gemeinde Gottes verfolgt habe. Aber durch Gottes Gnade bin ich, was ich bin. Und seine Gnade an mir ist nicht vergeblich gewesen, sondern ich habe viel mehr gearbeitet als sie alle; nicht aber ich, sondern Gottes Gnade, die mit mir ist. Ob nun ich oder jene: So predigen wir, und so habt ihr geglaubt.

Auferstehung ist kein Mirakel, nicht der übernatürliche Beweis, daß Jesus Gottes Sohn ist. Es geht auch nicht um das Zugeständnis, daß in dieser Welt mehr Dinge möglich sind als die Schulweisheit gelehrt hat. Ostern weckt in uns die tiefe Überzeugung, daß Gott selbst uns Menschen und dieser Welt gnädig gegenübertritt. Deswegen spricht Paulus am Ende dieser Briefpassage mehrfach von der Gnade Gottes. Auf der Bühne des Auferstehungspanoramas ist sie das wichtigste, wenn auch unsichtbare Requisit. Die Gnade Gottes läßt sich nicht mit Händen greifen. Aber sie läßt sich im Abendmahl symbolisch essen und trinken. Sie zeigt sich in Lachen und Osterfreude.

Der gesamte Text der Predigt ist hier zu lesen.

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Playlists

Das neue Heft der Zeitschrift „tà katoptrizómena“ (Nr.142, April 2023) beschäftigt sich mit dem Thema Playlists. Alles wird ja gesampelt, Bilder, Musikstücke aller Art, Skulpturen, Literatur und im erwähnten Heft auch Whisky. Die Beschreibungen der Whiskys hat übrigens ChatGPT erstellt.

Ich bin mit zwei Beiträgen über Musik vertreten, die ich mit Ausnahme des Mottos des ersten Artikels selbst geschrieben habe. Der erste ist ein Artikel über den Zusammenhang von Musik und Würde, der für das Programmheft des Festivals erstellt wurde, welches das Klangforum Heidelberg zu seinem dreißigsten Jubiläum erstellte.

Musik weitet Würde. Über Menschenwürde, Musizieren, Hören und Engagement, tà katoptrizómena, H.2, Nr. 142, 2023

Der zweite Artikel sampelt nun wirklich die Essays, die ich über die Jahre zum Thema Musik veröffentlicht habe, von der Kantorenbürokratie, über das Fracktragen in Konzerten bis hin zur Biographie Johann Sebastian Bachs.

Schläft ein Lied in allen Dingen. Florilegium musico-theologicum zum Jubiläum der Schola Heidelberg und des Ensembles Aisthesis, tà katoptrizómena, H.2, Nr. 142, 2023

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Grundgesetz

Schon vieles wurde gesagt über den Predigttext für den 19.Februar. Das so genannte Hohelied der Liebe aus dem ersten Brief an die Korinther ist zu einem klassischen Text des Christentums geworden (1Kor 13):

„Wenn ich mit Menschen- und mit Engelzungen redete und hätte der Liebe nicht, so wäre ich ein tönendes Erz oder eine klingende Schelle. Und wenn ich prophetisch reden könnte und wüsste alle Geheimnisse und alle Erkenntnis und hätte allen Glauben, sodass ich Berge versetzen könnte, und hätte der Liebe nicht, so wäre ich nichts. Und wenn ich alle meine Habe den Armen gäbe und meinen Leib dahingäbe, mich zu rühmen, und hätte der Liebe nicht, so wäre mir’s nichts nütze. Die Liebe ist langmütig und freundlich, die Liebe eifert nicht, die Liebe treibt nicht Mutwillen, sie bläht sich nicht auf, sie verhält sich nicht ungehörig, sie sucht nicht das Ihre, sie lässt sich nicht erbittern, sie rechnet das Böse nicht zu, sie freut sich nicht über die Ungerechtigkeit, sie freut sich aber an der Wahrheit; sie erträgt alles, sie glaubt alles, sie hofft alles, sie duldet alles. Die Liebe höret nimmer auf, wo doch das prophetische Reden aufhören wird und das Zungenreden aufhören wird und die Erkenntnis aufhören wird. Denn unser Wissen ist Stückwerk und unser prophetisches Reden ist Stückwerk. Wenn aber kommen wird das Vollkommene, so wird das Stückwerk aufhören. Als ich ein Kind war, da redete ich wie ein Kind und dachte wie ein Kind und war klug wie ein Kind; als ich aber ein Mann wurde, tat ich ab, was kindlich war. Wir sehen jetzt durch einen Spiegel in einem dunklen Bild; dann aber von Angesicht zu Angesicht. Jetzt erkenne ich stückweise; dann aber werde ich erkennen, gleichwie ich erkannt bin. Nun aber bleiben Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei; aber die Liebe ist die größte unter ihnen.“

Es tut gut, sich gelegentlich der Grundentscheidungen zu vergewissern, die sich aus dem christlichen Glauben ergeben. Es geht nicht um eine Stärkung der Institution Kirchen oder gar der klerikalen Bürokratie. Es geht um ein konkretes Handeln, das in der Beziehung zu anderen Menschen seinen konkreten Anhaltspunkt findet.

Der gesamte Text der Predigt ist hier zu lesen.

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Jura XII – Besancon

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Aufmerksame Theologie

In meinem autobiographischen Essay „Onkel Ernst und die portugiesischen Revolutionäre“ hatte ich angekündigt, auf den Bericht über das Theologiestudium einen zweiten Essay folgen zu lassen. Dieser sollte sich mit theologischen Grundentscheidungen beschäftigen. Es hat gedauert, bis dieser Text veröffentlicht werden konnte. Nun ist er erschienen, unter dem Titel: „Aufmerksame Theologie. Theologische Grundentscheidungen. Zugleich eine Kritik der öffentlichen Theologie“. Er steht im Magazin „tà katoptrizómena“, dessen Februarnummer dem Thema „Theologisieren“ gewidmet ist. Andreas Mertin und Jörg Herrmann haben eigene wichtige Essays zur Frage beigesteuert.

Rückmeldungen zu dem Text – hier im Kommentar oder per Mail – sind willkommen und würden mich sehr interessieren.

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Jura XI – Besancon

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Im memoriam Wilhelm Gräb

Vor ein paar Jahren sprach mich in Karlsruhe eine Richterin an. Sie habe mit einem Kollegen neulich ein italienisches Restaurant besucht. Während sie ihre Pasta aßen, hätten am Nebentisch die ganze Zeit zwei Männer lautstark diskutiert, offensichtlich über einen umstrittenen, ihr unbekannten Theologen mit dem Namen Wilhelm Gräb. Ob ich ihr erklären könne, wer das sei und welche Bedeutung er habe. Ich konnte ihr das nicht mit wenigen Worten erklären. Ich versuchte es trotzdem und stieß mit meinen Erläuterungen auf erstauntes Interesse.

Vor wenigen Tagen ist der Berliner Praktische Theologe Wilhelm Gräb nach schwerer Krankheit verstorben. Mein Beileid und Mitgefühl gilt seiner Familie. Für Wilhelm Gräbs Leben gilt in besonderer Weise der Psalmvers: „Du stellst meine Füße auf weiten Raum.“ (Ps 31,9) In meiner Trauer bewegen mich viele persönliche Erinnerungen, von denen einige wenige hier mitgeteilt seien.

Ich lernte Gräb bei einer Tagung in Loccum in den Neunzigern kennen. Zusammen mit Dietrich Korsch, mit dem er damals eine theologische Denk- und Publikationsgemeinschaft bildete, verbrachten wir in der Galerie der Akademie einen langen, wunderbaren Abend, den wir dem Rotwein aus Israel und der theologischen Gegenwartslage widmeten. Wir haben in den folgenden Jahrzehnten immer wieder bei Tagungen zusammengearbeitet, in wechselnder Funktion, zu wechselnden Themen. Bei einer Tagung über den Philosophen Ernst Cassirer sprang er am Ende für den Hauptreferenten ein, der dann doch keine Lust gehabt hatte, nach Loccum zu kommen. Bei einer Tagung über Spener in der Berliner Nicolaikirche stritt sich Gräb mit denen, die über sein Konzept liberaler Theologie entsetzt waren. Bei einer Tagung zu Ehren seines im hohen Alter verstorbenen Vaters, der Pfarrer, Galerist und Vermittler zwischen Kunst und Theologie war, warb Wilhelm Gräb nochmals für sein theologisches Konzept, das Kunst, Religion und Glaube in der Perspektive liberaler Theologie miteinander verband.

In Berlin in den Nullerjahren fragte er an, ob wir – in für mich schwieriger Zeit – gemeinsam ein Seminar veranstalten könnten. Ich sagte zu, und es wurde ein gut besuchtes, theologisch gehaltvolles Seminar über Alltagsethik. Danach entstand der Plan, gemeinsam ein Handbuch der Alltagsethik herauszugeben, aber irgendwie waren für uns beide stets andere Aufgaben wichtiger. Der Plan wird sich nun nicht mehr realisieren lassen. Ich schrieb für seine Festschrift einen Essay über die theologische Bedeutung von Verkehrsregeln. Das war eines seiner wichtigen Themen: Religion im ganz Banalen entdecken und dabei den Humor nicht zu vergessen.

Ich glaube, er hat sich öfter über die Predigtmeditationen geärgert, die ich für die Predigtstudien schrieb. Diese gab er lange Jahre heraus. Einmal erhielt ich eine empörte Email, meine Predigten seien nur für den Kindergottesdienst geeignet. Wilhelm Gräb war streitbar, er störte sich wortgewaltig an Freunden und Feinden, wenn theologische Thesen nicht seinem Konzept liberaler Theologie entsprachen. Bei mir war das oft der Fall, aber das verhinderte nicht, daß wir, trotz großer geographischer Distanz nach den Berliner Jahren, im Gespräch blieben. Dieses Gespräch fing immer wieder neu an. Es macht die Größe von Gräbs Theologie aus, daß er seine Theologie im Gespräch, in Diskussionen und – wenn nötig – auch im Streit entwickelte.

Zuletzt sah ich ihn im Frühsommer 2022 bei einer Tagung in Kassel und Hofgeismar. Da war er schon von der Krankheit gezeichnet. Aber er wollte die umstrittene Documenta nicht verpassen und beteiligte sich nach den Rundgängen in Kassel an den Diskussionen mit den Studierenden in Hofgeismar. Am Ende der Tagung fuhren wir mit dem Bus zum Bahnhof Kassel-Wilhelmshöhe. Es war Sonntagmittag. In der Bahnhofshalle herrschte Lärm und Gedränge. Alle ICEs waren ausgefallen, und die Reisenden bemühten sich darum, ihre Anschlußzüge zu sichern. In diesem Gedränge verloren wir uns aus dem Blick.

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